Donnerstag, 11 Juli 2013 02:00

Nebenangebote bei Preis als einzigem Zuschlagskriterium – never ending story

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 Problem:

Seit Jahren gärt nun der Streit der Oberlandesgerichte zu der Frage, ob nach der EU-Vergabekoordinierungsrichtlinie Nebenangeboten dann vom Auftraggeber nicht zuzulassen sind, wenn einziges Zuschlagskriterium der Preis ist. Endlich nun hat sich mit dem OLG Düsseldorf ein Gericht nicht um seine Vorlageverpflichtung gedrückt und diese Frage – im Rahmen einer Kostenentscheidung – dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

 

Die Entscheidung:

Wer nun aber meint, der BGH würde in seiner Weisheit dem Rechtpraktiker eine klare Aussage an die Hand geben, hat sich gründlich getäuscht. Das oberste deutsche Zivilgericht billigt dem Oberlandesgericht Düsseldorf, das die Auffassung vertritt, Nebenangebote seien dann nicht zuzulassen, wenn nur der Preis über den Zuschlag entscheidet, zwar zu, dass es eine grammatikalisch und systematisch richtige Auslegung gewählt habe, zweifelt aber, ob das Ergebnis auch dem Sinn und Zweck der Norm entspreche. Es entspreche zum einen dem Sinn und Zweck eines Vergabeverfahrens, dass das günstigste Angebot gewinne. Zum anderen sei es im Interesse der wirtschaftlichsten Mittelvergabe legitim, Varianten (= Nebenangebote) anbieten zu lassen. Im Ergebnis wollte sich der BGH allerdings nicht festlegen und bescheidet sich damit, dem OLG Düsseldorf ins Stammbuch zu schreiben, es hätte diese Frage dem EuGH vorlegen müssen, der als einziges Gericht zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht befugt sei.

Kommentar:

Dem BGH ist zuzustimmen, dass man dem Europäischen Gerichtshof hätte die Chance geben müssen, über diese umstrittene Frage zu entscheiden. Die Zweifel des BGH in der Sache sind allerdings kaum nachvollziehbar. Das Problem der Zulassung von Nebenangeboten in Fällen, in denen ausschließlich der Preis entscheidet ist, dass diese Nebenangebote lediglich den Mindestbedingungen entsprechen müssen, daher häufig in verschiedenen Positionen eine geringere Qualität gegenüber dem Hauptangebot aufweisen. Da die Qualität keinen Eingang in die Wertung findet, wird in solchen Fällen eben gerade nicht das wirtschaftlich günstigste, sondern nur das billigste Angebot bezuschlagt. Es werden Bieter bestraft, die Qualität und möglicher Weise in den Folgekosten wesentlich wirtschaftlichere Angebote einreichen. Ergebnis ist häufig eine „dumme“ Beschaffung, bei der der Auftraggeber im Ergebnis wegen hoher Wartungs-/Betriebskosten doch tiefer in die Tasche greifen muss als er zuvor kalkuliert hat. Genau das ist eben nicht Sinn und Zweck des Vergaberechts. Es ist gut, dass der BGH sich einer endgültigen Entscheidung enthalten hat. Denn die von ihm vertretene Auffassung ist im Elfenbeinturm gefunden und hat mit der Praxis wenig zu tun.

 

(Entscheidung: Bundesgerichtshof, Beschluss v. 23.01.2013 X ZB 8/11)

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RA Dr. Moritz von Münchhausen

Rechtsanwalt Dr. Moritz von Münchhausen ist Gründungspartner und Geschäftsführer der Kanzlei.

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