Die Beteiligung von Projektanten am Vergabeverfahren auf Bieterseite erfordert von den Vergabestellen eine besondere Sorgfalt bei der Überprüfung der Vergabeunterlagen auf wettbewerbsverzerrende Elemente. Diese wird im Zweifel durch wirklich unabhängige Gutachter (im engeren Sinne) zu erfolgen haben, wenn das Personal der Vergabestelle dazu selbst nicht in der Lage ist (was regelmäßig der Fall sein wird). Bei einer Verletzung dieser Überprüfungspflicht kann dem Auftraggeber bzw. den Entscheidungsträgern im Vergabeverfahren unter Umständen der Vorwurf mangelnder Neutralität gemacht werden. Es spricht einiges dafür, dass die Kosten für eine derartige Überprüfung nach dem Verursacherprinzip der als Bieter auftretende Projektant zu tragen hat. Dieser hat durch sein Verhalten den erhöhten Prüfungsaufwand verursacht.
Der Ausgleich von Informationsvorteilen durch Vorbefassung wird nicht immer vollends möglich sein. Der Auftraggeber sollte sich bereits bei Abschluss des Vertrages mit dem Projektanten darüber Gedanken machen, ob die aus der Vorbefassung gewonnenen Informationsvorteile überhaupt ausgleichbar sind. Ist das nach seiner Einschätzung nicht der Fall, sollte der Auftraggeber dem Projektanten von vorne herein zu einer Nichtbeteiligung auf Bieterseite verpflichten. In einem solchen Fall ist ein derartiger passus auch nicht europarechtswidrig.
Aber selbst wenn alle durch den Projektanten gewonnenen Informationen Eingang in die Vergabeunterlagen finden, muss für den Fall, dass der Projektant sich auf Bieterseite beteiligt, abgewogen werden, ob zumindest die Fristen zur Angebotsabgabe verlängert werden. Denn der zeitliche Vorteil durch bereits vorhandenes Wissen, das nicht erst aus den Vergabeunterlagen gewonnen werden muss, ist schwer und allenfalls durch entsprechend lange Angebotsfristen ausgleichbar.
Autor(en): RA Dr. v. Münchhausen
Stand: Januar 2012